Nach seinem
Aussehen zu urteilen muß das arme Huhn sehr hohes Fieber gehabt haben. Der Tierkadaverbeseitigungsbeauftragte Ricky (ein patentes Schlitzohr)
überlegt gerade, wie er die Aufgabe mit möglichst wenig Aufwand erledigen kann. Seinen Vorschlag, ein frisch ausgehobenes
Erdloch zu nutzen (einer von den fünf Kiwibäumen des Opa hat den strengen Winter nicht überlebt) wurde von mir aus ethischen Gründen (was werden wohl die Nachbarn sagen, wenn sie's sehen?) abgelehnt.
Hat die Merkel in Sachen Fußball ein Machtwort ausgesprochen? Oder ist
dies eine Ente?
Matthäus ist seit dem 7. März "verschwunden". In Brasilien wird spekuliert, er habe familiäre Probleme zu lösen oder wolle die deutsche Nationalelf übernehmen.
Der Arzt stürmte rein, gab mir die Hand, sagte "Ich bin gleich bei Ihnen" und setzte sich an seinen Schreibtisch. Er war eine überaus interessante Erscheinung. Die wenigen Haare, die ihm seine kapitale Glatze übrig ließ, sein sauber gestutzter Vollbart sowie seine glänzenden Augen waren pechschwarz, sein Teint hingegen sehr hell. Ich schätzte ihn auf Anfang Vierzig. Er setzte eine goldene Lesebrille auf, klemmte ein paar Röntgenbilder an die Leuchtscheibe, betrachtete sie eingehend, und fing dann an, in sein Diktiergerät zu sprechen, während er mich über den Brillenrand sehr genau musterte.
Er sagte dabei erst meine persönlichen Daten auf, dann kam ein Schwall von mir unbekannten Fachbegriffen, die jedoch alle von einem beruhigenden "ohne Befund" begleitet wurden. Zum Schluß wurde ich doch wach: "Verdacht auf dentogene Zyste links oben".
Er schaltete das Diktiergerät aus und gab mir nochmals die Hand. "Trottel" dachte ich.
"Sie kommen von Dr. Nickel? HNO? Was haben Sie für Beschwerden?"
"Chronische Rhinitis. Aber ich muß wohl eher zu einem Zahnarzt gehen, merke ich."
"Wie kommen Sie jetzt darauf?"
"Sie haben doch vorhin von einer dentogenen Zyste gesprochen, oder nicht?"
"Sie haben doch nicht etwa zugehört? Das war aber nicht für Sie bestimmt!"
Ich verkniff mir die Bemerkung, daß ich an den Ohren nichts habe und erwiderte nichts. Später sollte mir die verpaßte Gelegenheit noch leid tun.
"Das ist der Bericht für den behandelnden Arzt. Was Sie wissen müssen, das erzähle ich Ihnen gleich" sagte er trocken.
Und dann erzählte er mir, indem er jeden medizinischen oder wissenschaftlichen Begriff sorgfältig vermied, daß er - bis auf eine leichte Schwellung der Schleimhäute - nichts besonderes feststellen kann. Er sprach in kurzen Sätzen mit einfachen Worten wie zu einem Kind. Jetzt merkte ich erst, daß er mich gehörig auf den Arm nahm.
"Und was ist mit der Zyste?" fragte ich hartnäckig.
"Ich kann sie als Ursache für Ihre Beschwerden mit ziemlicher Sicherheit ausschließen. Wurden Sie im Hinblick auf eine Allergie untersucht?"
"Und ob. War aber bisher nichts zu finden."
"Nuja, eine Nickelallergie haben Sie bestimmt nicht. Ich wünsche Ihnen jedenfalls viel Glück. Nehmen Sie Ihre Bilder gleich mit, den Bericht schicke ich Dr. Nickel nach.
Das passierte vor sechs Jahren.
Vor einiger Zeit schlug ich mir am Wochenende beim Pflastern mit dem Hammer auf den Mittelfinger der linken Hand und suchte am nächsten Montag den Komiker wieder auf: Mein Mittelfinger war nämlich in bezug auf Form, Abmessungen und Farbe mittlerweile kaum von einer Currywurst zu unterscheiden. Ich konnte ihn weder strecken noch richtig beugen.
Der Arzt schien sich in diesen sechs Jahren überhaupt nicht verändert zu haben.
"Wie ist das passiert?" Er betrachtete meinen Finger und bewegte ihn sachte in verschiedenen Richtungen.
"Hammerschlag" gab ich an.
"Man muß aber ein ziemlicher Exzentriker sein, um mit einem Hammer auf seinen Finger zu zielen."
"Den Finger habe ich nur getroffen, nicht anvisiert. Gezielt habe ich auf einen Stein und da war der Finger halt im Weg. Ein Exzentriker bin ich trotzdem, obwohl mich die meisten Leute bloß für einen Sonderling halten."
Meine Hand wurde geröntgt: Gleiche Leuchtscheibe, gleiche Brille, diesmal jedoch ohne Diktat. Offenbar hatte er jetzt mehr Zeit. Der Finger war nicht gebrochen.
"Eine reine Quetschung. Ich schicke Ihrem Hausarzt einen genauen Bericht. Das Hämatom wird Sie noch eine Weile begleiten, weil der spontane Fibrinolyseprozeß seine Zeit braucht, Verband und medikamentöse Behandlung sind aus meiner Sicht entbehrlich. Wenn Sie Bedenken haben, können Sie zu einem Chirurgen gehen, wobei Sie eine Amputation um jeden Preis verweigern sollten. Schonen Sie die Hand und lassen Sie den Arm nicht zu lange hängen. Es ist übrigens in Ihrem Fall auch nicht sehr klug, die Hand zu heben."
Ich machte den Mund auf und wollte gerade fragen, auf welchen medizinischen Zusammenhang die letzte Empfehlung zurückzuführen ist, als ich merkte, daß er mich wieder af den Arm genommen hatte. Meine Hand sah in der Tat so aus, als könnte ich mit Stefan Effenberg verwechselt werden, wenn ich sie - so wie sie mit dem gekrümmten, fast angewinkelten Mittelfinger verformt war - hochgehalten hätte. Und weil ich den Mund schon offen hatte, sagte ich, während er mich grinsend aus seinem Untersuchungszimmer hinausschob, irgend etwas wie "Sie sind mir aber ein Komiker!" oder so ähnlich.
Mein Hausarzt hatte auch viel Sinn für Humor. Er krümmte sich vor Lachen, als er den Bericht las. Er reichte mir das Schreiben über den Schreibtisch. Unmittelbar unter meinen persönlichen Daten fand sich darauf unter der Rubrik "Allgemeines" die folgende Eintragung: "Exzentriker (Sonderling)".
Er hatte wieder gewonnen, dieser Heini, diesmal haushoch.
Der Zustand absoluter Sinnlosigkeit ist prinzipiell nicht erreichbar, man kann ihm aber
verdammt beliebig nahe kommen.
Eine anschauliche Darstellung des Prinzips finden Sie hier. Für den tollen Link danke ich dem Navigator.
Könnte vielleicht jemand unseren Politikern beibringen, daß die Zeiten, die wir gerade erleben, gar nicht so lustig sind? Das wäre echt ein großer Gewinn für uns alle. Ich finde, es ist nicht nur pietätlos, sondern für einen Politiker auch äußerst kontraproduktiv, mit so einem fröhlichen Gesicht herumzulaufen.
PS
Wir haben bald Kommunalwahlen hier. Sogar meine Hunde fühlen sich durch die vielen Plakate aggressiert. Außerdem hängen sie viel zu hoch, um von einem Hund angemessen gewürdigt werden zu können.
Im vorigen Herbst mußte ich schon wieder nach Graz.
Diesmal konnte ich mich den "social events" nicht ganz entziehen. So wurde ich wieder mal auf den Schloßberg geschleppt und anschließend mit steirischen Köstlichkeiten und small-talk abgefüllt.
Die unschöne Seite von Austria konnte ich jedoch auch diesmal nicht entdecken. Das Unappetitliche war höchstwahrscheinlich grad in München… Oktoberfest und so…
Wie auch immer, jetzt stand die Heimreise an. Am Flughafen ging ich nach dem Einchecken durch die Sicherheitskontrolle.
"Wem gehört diese Tasche?" fragte die Dame, die sich am Monitor die Innereien unserer Gepäckstücke anschaute.
"Mir" sagte ich heiter und wollte sie mir schnappen. Ich meine natürlich die Tasche.
"Sie haben eine Säge drin. Bitte machen Sie sie auf."
Ich guckte die Tasche noch einmal an. Kein Zweifel, es war meine. Dann blickte ich der Dame tief und fest in die Augen.
"Das kann nicht sein" sagte ich.
"Besser gesagt ein Sägeblatt, wenn Sie so wollen. Bitte machen Sie sie auf."
"Ein Sägeblatt? Was Sie sehen, das ist mein Autoschlüssel" sagte ich voller Mitgefühl. Ich wußte Bescheid, es war doch meine Tasche.
"Was ich sehe, das ist ein Sägeblatt. Bitte machen Sie die Tasche endlich auf." Sie sprach ganz ruhig, aber bestimmt. Sie hatte Tausende von der Sorte gesehen, die Bescheid wußten.
Ich kramte mein ganzes Zeug raus, bis ich die Tasche für leer hielt.
Die Dame durchstöberte die vermeintlich leere Tasche und holte ein originalverpacktes Stichsägeblatt heraus. Darauf verkündete ein oranges Preisschild: DM 17.80.
"War unter der Bodenverstärkung versteckt" sagte sie. "Das müssen Sie abgeben. Sie können's aber wieder abholen, wenn Sie das nächste Mal hier sind."
Ich war wohl etwas verwirrt, denn ich murmelte:
"Ach, schmeißen Sie's weg, bezahlt ist es ja schon."
Ein einzeln verpacktes Sägeblatt, DM 17.80?
Später im Flieger konnte ich mich auf einmal daran erinnern. Das war ein Hartmetallsägeblatt für Fliesen, das ich vor etlichen Jahren gekauft hatte. Vermißt habe ich das Ding überhaupt nicht. Ich dachte eine Weile darüber nach, wie viel unnützes Zeug wir Menschen doch anschaffen.
Und plötzlich lief es mir kalt den Rücken runter.
Mit dieser Tasche und mit diesem Sägeblatt drin bin ich mindestens sechs mal nach Amerika geflogen, von etlichen Europaflügen ganz zu schweigen. Ich konnte von Glück reden, daß ich nicht in Guantanamo gelandet bin.
Während die islamischen Länder die Aufklärung noch vor sich haben, haben wir Westler sie bereits
überwunden.
Ich telefonierte paar Wochen später mit Fräulein Urbanczyk. Sie hatte mittlerweile mit ihrem Freund, Markus Mayer hieß er, Schluß gemacht (ob sich der Papa durchgesetzt hat?) und konnte ihm also nichts ausrichten. Nein, Telefon hatte er nicht. Ich habe nie wieder was von ihm gehört.
Die Kooperation mit der TU Wien drückte ich einem meiner Mitarbeiter auf, mit der Maßgabe, nicht mehr als einen halben Tag pro Monat darauf zu verschwenden. Dienstreisen mitgerechnet, versteht sich.
Mein Chef wurde im gleichen Jahr geschaßt, weil er ein Großprojekt in den Sand gesetzt hatte. Ich kriegte einen Neuen, mit dem ich viel besser ausgekommen bin. Er konnte mit Widerspruch umgehen und diese Eigenschaft hatte er bei mir dringend nötig. Ich konnte wunderbar mit ihm streiten.
Und ich? Ich bin immer noch bei Dingenskirchens GmbH tätig, wobei das Ende schon in Sicht ist. Irgendwann, wenn man merkt, daß Veränderungen zwar jede Menge Neues aber nicht unbedingt was Besseres mit sich bringen, wird man klüger. Oder man resigniert, wenn Sie so wollen. Jedenfalls, nach einer Republikflucht, vier Jobwechseln, einer späten Scheidung und der Rauchentwöhnung vor zehn Jahren ist mein Bedarf an Veränderungen fürs erste gedeckt. Ich werde mir daher noch ein halbes Jahr oder so Zeit lassen, bevor ich meine eigene Firma aufmache…
Fast hätte ich es vergessen: Ana hat ihren Esel leider verkauft. Als 75-jährige alleinstehende Witwe hatte sie angeblich genug zu tun mit ihren Schweinen, Kühen, Schafen und sonstigen Viechern.