Trostlosigkeit
Ich habe in einem Pflegeheim für "Senioren" jemanden besucht.
Als wäre das Ganze nicht so schon schlimm genug, hängt im Flur ein Abreißkalender mit einem Spruch von Rousseau:
"Es gibt nichts liebenswürdigeres als die Tugend"
Ich persönlich hasse tugendhafte Menschen, und so weit ich das beurteilen kann, dieses meine Gefühl wird auch von den meisten Mitmenschen geteilt. Man darf also eher behaupten, daß es nichts anderes auf dieser Welt gibt, das für jemanden, der geliebt werden möchte, kontraproduktiver sein kann, als tugendhaftes Verhalten.
Merke: Willst Du geliebt werden, so verstecke deine Tugenden gut und lege Dir ein paar liebenswürdige Schwächen zu. Die Mitmenschen werden Dich als einen von ihnen erkennen und lieben.*
Ich habe noch Stunden nach diesem Besuch nachgedacht, wie die pflegebedürftigen "Senioren", deren Tugenden schon lange vom Sediment des Gebrechens unwiederbringlich erstickt wurden, wohl zu diesem Thema stehen. Ob die überhaupt noch etwas liebenswürdig finden können. Ich hoffe, ich werde es nie erfahren.
Darauf habe ich mir einen strammen Whisky genehmigt.
*So was hätte man zu Rousseaus Zeit schreiben können. Wirkt heute völlig antiquiert.
Als wäre das Ganze nicht so schon schlimm genug, hängt im Flur ein Abreißkalender mit einem Spruch von Rousseau:
"Es gibt nichts liebenswürdigeres als die Tugend"
Ich persönlich hasse tugendhafte Menschen, und so weit ich das beurteilen kann, dieses meine Gefühl wird auch von den meisten Mitmenschen geteilt. Man darf also eher behaupten, daß es nichts anderes auf dieser Welt gibt, das für jemanden, der geliebt werden möchte, kontraproduktiver sein kann, als tugendhaftes Verhalten.
Ich habe noch Stunden nach diesem Besuch nachgedacht, wie die pflegebedürftigen "Senioren", deren Tugenden schon lange vom Sediment des Gebrechens unwiederbringlich erstickt wurden, wohl zu diesem Thema stehen. Ob die überhaupt noch etwas liebenswürdig finden können. Ich hoffe, ich werde es nie erfahren.
Darauf habe ich mir einen strammen Whisky genehmigt.
*So was hätte man zu Rousseaus Zeit schreiben können. Wirkt heute völlig antiquiert.
fely - 17. Dez, 21:48
ich bin der rechtliche Betreuer meiner 98 Jahre jungen, aber leider völlig dementen Großmutter. Die Besuche im Heim sind stets von solchen Erlebnissen geprägt. Ich schaue eigentlich nur noch zu Boden und: In ihre Augen.
Neulich hat sie behauptet, mich nicht mehr zu kennen.
Da bin ich aufgestanden und hab ihr ins Gesicht gesagt: Dann ist es ja auch egal ob ich bei dir bin oder nicht.
Sie meinte lachend: Du bist wie dein Vater !
Jetzt hast du doch erfahren, wie liebenswürdig "die" noch sein können.
Was für einen Whisky trinkst du denn ? Malt oder Bourbon ?
beste Grüße
wenzel
Demenz hat...
Die geistige Verwirrtheit, die Du beschreibst, kann in ihrer Ausprägung sehr stark schwanken, so daß der Großmutter nicht unbedingt Bosheit unterstellt werden darf. Schwer zu ertragen ist es trotzdem. Schlimmer finde ich die Fälle, in denen der Betroffene viel weniger oder gar nicht geistig verwirrt ist, die Kontrolle über seine Körperfunktionen einschließlich der Fähigkeit zum Kommunizieren jedoch weitgehend eingebüßt hat. Das, stelle ich mir vor, ist sowohl für den Patienten als auch für seine Familie viel schlimmer.
Trinken tue ich lieber Scotch, und eindeutig viel weniger, als ich manchmal möchte…