Ein Esel in Wien (1)
Anfang der 90er Jahre. Meine bewegte Schaffensperiode bei Dingenskirchens GmbH.
Ich warf die Arbeitsmappe mit dem Titel "Kooperation TU Wien" in die Aktentasche, prüfte flüchtig das Flugticket und das Fax mit der Hotelreservierung, schloß ab und ging. Ich mußte noch packen, mich umziehen und dann nach Frankfurt fahren, wo ich die 20 Uhr Lufthansa Maschine nach Wien nehmen wollte.
Ich mochte diese Kooperation nicht. Meinen damaligen Chef (Gott bewahre vor fleißigen Idioten), der sie anläßlich eines Kongresses zwischen Tür und Angel eingefädelt hatte, mochte ich noch weniger.
Vor der Rheinbrücke gab's prompt den ersten Stau, der mich vierzig Minuten kostete. An Duschen und Umziehen war jetzt nicht mehr zu denken. Ich bugsierte Kulturtasche und sonstige Klamotten in einen kleinen Koffer und fuhr gleich wieder los.
Der zweite Stau, den es auf der A67 kurz vor Gernsheim gab, schien, obwohl der Verkehrsfunk hier nichts meldete, eine größere Sache zu sein. Ich verfluchte noch einmal das Projekt, meinen Chef, den Verkehrsfunk, den Idioten, der mich bei meiner Fahrt auf dem Standstreifen bis zur Ausfahrt Gernsheim anhupte, und fuhr über die Dörfer zur parallel verlaufenden A5. Noch hätte ich es schaffen können. Dann kam vor dem Darmstädter Kreuz der dritte Stau, der mir sozusagen den Rest gab.
Jetzt stand ich am Lufthansaschalter und beriet mich mit einer Dame schwarzer Hautfarbe, die komischerweise Krüger oder ähnlich hieß und ein perfektes Deutsch sprach, über die verbleibenden Möglichkeiten, heute doch noch nach Wien zu kommen. Es gab keinen weiteren Flug an diesem Abend, ich hatte zu wählen zwischen Graz und Linz, Weiterfahrt im Mietwagen inbegriffen. Also wählte ich Linz. Hier angekommen tingelte ich von einer Autovermietung zur anderen und fragte nach einem Wagen. Nichts da, alles reserviert. Am InterRent Schalter (damals gab es die noch) thronte eine elegante Brünette, die mich an Miss Moneypenny aus den älteren James Bond Filmen erinnerte.
"Haben Sie einen Mietwagen für mich? Ich habe keine Reservierung." Mittlerweile hatte meine Frage einen leicht flehenden Unterton angenommen.
"Sie haben aber Glück, gerade ist einer zurückgegeben worden. Das ist hier ein bißchen schwierig ohne Reservierung. Die meisten unserer Wagen werden in Wien zurückgegeben, wir haben hier immer nur das Allernotwendigste."
"Sie sind meine Rettung!" Daraufhin guckte sie mich streng über die Lesebrille an. Ich reichte ihr Paß und Führerschein über das Pult rüber.
"Was ist das für ein Auto? Ich nehme alles bis auf Opel!"
"Das ist ein... Mercedes 280 SL Automatik, Farbe… weiß."
"Moment mal. Ist das nicht der Pagoden-Mercedes?"
Der Anflug eines Lächelns huschte über ihr Gesicht.
"Ich glaube, ja. Zweisitzer jedenfalls."
"Das wollen Sie mir doch nicht antun! Da wäre mir sogar ein Opel lieber."
Jetzt lächelte sie gar.
"Ich habe aber wirklich nichts anderes da."
"Dann nehme ich's, in Gottes Namen." Ich schloß alle möglichen Zusatzversicherungen ab, was sich zusammen mit der Miete zu einem hübschen Sümmchen addierte, lächelte etwas verlegen, nahm Schlüssel und Papiere mit und verschwand.
Als ich vom Parkplatz auf die Straße fuhr, bremste ich ab und versuchte gleichzeitig, auszukuppeln, wobei ich mit dem linken Fuß natürlich volle Kraft auf das fast vierzig Zentimeter breite Bremspedal trat. Die verdammte Zuhälterkarrosse blieb mit einem Schlag stehen, als wäre ich auf eine Mauer aufgefahren. Ich schloß Daimler Benz, das Automatikgetriebe, die Firma InterRent und alle Zuhälter dieser Welt in die Reihe meiner Verwünschungen ein, und dies wiederholte ich später mit noch mehr Nachdruck, als ich bei höheren Geschwindigkeiten starke Rollgeräusche vernahm. Auf der Autobahn traute ich mich nicht, schneller als 120 zu fahren, denn das Lenkrad der Pagode vibrierte bedenklich. ("Sie haben einen Bremsplatten gehabt" sagte man mir bei der Rückgabe des Wagens am nächsten Tag in Wien. Einer meiner Vorgänger hatte wohl eine Vollbremsung veranstaltet. Das Schmuckstück hatte, ob Sie's glauben oder nicht, jede Menge Wurzelholz und Leder, jedoch kein ABS zu bieten.)
Ich kam in Wien kurz nach eins an. Als die Autobahn endete, fuhr ich einfach geradeaus in Richtung Zentrum weiter, in der Hoffnung, daß mein Hotel (das den Namen irgendeines Adligen trug) einigermaßen zentral gelegen wäre. Ich hielt gerade nach einer Tankstelle Ausschau, um nach dem Weg zu fragen, als ich merkte, daß ich schon in der richtigen Straße war. Im Hotel angekommen, parkte ich meine Karosse auf dem Hotelparkplatz, klingelte den Portier raus, schnappte mir den Schlüssel und ging aufs Zimmer. Hier fiel mir auf, daß ich vergessen hatte, mich wecken zu lassen, war zu müde oder zu feige, um den Portier noch einmal zu wecken, und stellte den Radiowecker vom Nachttisch auf 6:30 h ein. Das Glockensymbol tauchte kurz auf und verschwand wieder. Ich machte das Ganze noch einmal mit dem gleichen Ergebnis, dann erklärte ich dem Wecker, daß es mir völlig wurscht sei, ob er morgen klingele oder nicht und ging schlafen. Ich guckte natürlich die ganze Nacht etwa alle zehn Minuten auf die Uhr. Dazwischen hatte ich jedoch genug Zeit, um irgendwas wirres von einem weißen Esel zu träumen, den ich durch die Straßen von Wien am Zügel führen mußte.--Fortsetzung folgt--
Ich warf die Arbeitsmappe mit dem Titel "Kooperation TU Wien" in die Aktentasche, prüfte flüchtig das Flugticket und das Fax mit der Hotelreservierung, schloß ab und ging. Ich mußte noch packen, mich umziehen und dann nach Frankfurt fahren, wo ich die 20 Uhr Lufthansa Maschine nach Wien nehmen wollte.
Ich mochte diese Kooperation nicht. Meinen damaligen Chef (Gott bewahre vor fleißigen Idioten), der sie anläßlich eines Kongresses zwischen Tür und Angel eingefädelt hatte, mochte ich noch weniger.
Vor der Rheinbrücke gab's prompt den ersten Stau, der mich vierzig Minuten kostete. An Duschen und Umziehen war jetzt nicht mehr zu denken. Ich bugsierte Kulturtasche und sonstige Klamotten in einen kleinen Koffer und fuhr gleich wieder los.
Der zweite Stau, den es auf der A67 kurz vor Gernsheim gab, schien, obwohl der Verkehrsfunk hier nichts meldete, eine größere Sache zu sein. Ich verfluchte noch einmal das Projekt, meinen Chef, den Verkehrsfunk, den Idioten, der mich bei meiner Fahrt auf dem Standstreifen bis zur Ausfahrt Gernsheim anhupte, und fuhr über die Dörfer zur parallel verlaufenden A5. Noch hätte ich es schaffen können. Dann kam vor dem Darmstädter Kreuz der dritte Stau, der mir sozusagen den Rest gab.
Jetzt stand ich am Lufthansaschalter und beriet mich mit einer Dame schwarzer Hautfarbe, die komischerweise Krüger oder ähnlich hieß und ein perfektes Deutsch sprach, über die verbleibenden Möglichkeiten, heute doch noch nach Wien zu kommen. Es gab keinen weiteren Flug an diesem Abend, ich hatte zu wählen zwischen Graz und Linz, Weiterfahrt im Mietwagen inbegriffen. Also wählte ich Linz. Hier angekommen tingelte ich von einer Autovermietung zur anderen und fragte nach einem Wagen. Nichts da, alles reserviert. Am InterRent Schalter (damals gab es die noch) thronte eine elegante Brünette, die mich an Miss Moneypenny aus den älteren James Bond Filmen erinnerte.
"Haben Sie einen Mietwagen für mich? Ich habe keine Reservierung." Mittlerweile hatte meine Frage einen leicht flehenden Unterton angenommen.
"Sie haben aber Glück, gerade ist einer zurückgegeben worden. Das ist hier ein bißchen schwierig ohne Reservierung. Die meisten unserer Wagen werden in Wien zurückgegeben, wir haben hier immer nur das Allernotwendigste."
"Sie sind meine Rettung!" Daraufhin guckte sie mich streng über die Lesebrille an. Ich reichte ihr Paß und Führerschein über das Pult rüber.
"Was ist das für ein Auto? Ich nehme alles bis auf Opel!"
"Das ist ein... Mercedes 280 SL Automatik, Farbe… weiß."
"Moment mal. Ist das nicht der Pagoden-Mercedes?"
Der Anflug eines Lächelns huschte über ihr Gesicht.
"Ich glaube, ja. Zweisitzer jedenfalls."
"Das wollen Sie mir doch nicht antun! Da wäre mir sogar ein Opel lieber."
Jetzt lächelte sie gar.
"Ich habe aber wirklich nichts anderes da."
"Dann nehme ich's, in Gottes Namen." Ich schloß alle möglichen Zusatzversicherungen ab, was sich zusammen mit der Miete zu einem hübschen Sümmchen addierte, lächelte etwas verlegen, nahm Schlüssel und Papiere mit und verschwand.
Als ich vom Parkplatz auf die Straße fuhr, bremste ich ab und versuchte gleichzeitig, auszukuppeln, wobei ich mit dem linken Fuß natürlich volle Kraft auf das fast vierzig Zentimeter breite Bremspedal trat. Die verdammte Zuhälterkarrosse blieb mit einem Schlag stehen, als wäre ich auf eine Mauer aufgefahren. Ich schloß Daimler Benz, das Automatikgetriebe, die Firma InterRent und alle Zuhälter dieser Welt in die Reihe meiner Verwünschungen ein, und dies wiederholte ich später mit noch mehr Nachdruck, als ich bei höheren Geschwindigkeiten starke Rollgeräusche vernahm. Auf der Autobahn traute ich mich nicht, schneller als 120 zu fahren, denn das Lenkrad der Pagode vibrierte bedenklich. ("Sie haben einen Bremsplatten gehabt" sagte man mir bei der Rückgabe des Wagens am nächsten Tag in Wien. Einer meiner Vorgänger hatte wohl eine Vollbremsung veranstaltet. Das Schmuckstück hatte, ob Sie's glauben oder nicht, jede Menge Wurzelholz und Leder, jedoch kein ABS zu bieten.)
Ich kam in Wien kurz nach eins an. Als die Autobahn endete, fuhr ich einfach geradeaus in Richtung Zentrum weiter, in der Hoffnung, daß mein Hotel (das den Namen irgendeines Adligen trug) einigermaßen zentral gelegen wäre. Ich hielt gerade nach einer Tankstelle Ausschau, um nach dem Weg zu fragen, als ich merkte, daß ich schon in der richtigen Straße war. Im Hotel angekommen, parkte ich meine Karosse auf dem Hotelparkplatz, klingelte den Portier raus, schnappte mir den Schlüssel und ging aufs Zimmer. Hier fiel mir auf, daß ich vergessen hatte, mich wecken zu lassen, war zu müde oder zu feige, um den Portier noch einmal zu wecken, und stellte den Radiowecker vom Nachttisch auf 6:30 h ein. Das Glockensymbol tauchte kurz auf und verschwand wieder. Ich machte das Ganze noch einmal mit dem gleichen Ergebnis, dann erklärte ich dem Wecker, daß es mir völlig wurscht sei, ob er morgen klingele oder nicht und ging schlafen. Ich guckte natürlich die ganze Nacht etwa alle zehn Minuten auf die Uhr. Dazwischen hatte ich jedoch genug Zeit, um irgendwas wirres von einem weißen Esel zu träumen, den ich durch die Straßen von Wien am Zügel führen mußte.
fely - 2. Mär, 07:26